Interview mit Conny Reinhard zu ihrem aktuellen Buch „Das Leuchten des Almfeuers“

erstellt von: HOMO Littera | Kategorie(n): Interviews

„Conny Reinhard“ hat uns zu ihrem aktuellen Buch „Das Leuchten des Almfeuers“  ein Interview gegeben

Hallo Conny. Dein soeben erschienener Roman „Das Leuchten des Almfeuers“ handelt von zwei völlig unterschiedlichen Frauen in den 60er Jahren: Sophie, dem Glauben, den Eltern und ihrem Mann gehörig, verliebt sich in Louise, eine aus der Stadt stammende Tierärztin – alles wunderschön in einen Heimatroman der etwas anderen Art verpackt. Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Roman wie diesen zu schreiben?

Conny: Die Idee ist im Grunde schon Jahrzehnte alt. Als Kind habe ich nämlich Heimatgeschichten sehr gemocht, zu Beginn der Pubertät bekam ich jedoch einen immer stärkeren Widerwillen, da diese Werke zumeist sehr konservativ, frömmelnd und vor allem erschreckend überraschungsarm gestaltet waren, sodass ich recht bald aufhörte, sie zu lesen oder mir im TV anzuschauen. Geblieben ist hingegen meine Faszination und Begeisterung für die Bergregion und es hätte mich daher weiterhin gefreut, wenn man einen Heimatroman eben der etwas anderen Art geschrieben hätte. Ende der 1990er Jahre las ich dann „Die Marquise und die Novizin“ von Victoria Ramstetter, die mit ihrem Roman die lesbische, feministische Variante eines Schauerromans geschrieben hatte. Da dachte ich mir, dass es so etwas auch als Heimatroman geben müsste. Es sollten danach aber trotzdem noch ein paar Jahre ins Land gehen, bis ich dann endgültig beschied, selbst diesen Heimatroman der etwas anderen Art zu schreiben. Für mich war dabei von Anfang an klar, dass ich einige Gesetzmäßigkeiten dieses Genres verändern und sogar in ihr Gegenteil verkehren würde, damit „Das Leuchten des Almfeuers“ ein Werk wird, das frischen Wind in die Welt der Heimatromane hereinbringt. Schlüsselfunktionen nahmen dabei vor allem die Liebesgeschichte zwischen den beiden Frauen, aber auch die Figur des unorthodoxen Fräulein Mayr und der Umgang mit dem christlichen Glauben ein.

Du beschreibst mit sehr viel Feingefühl die Zuneigung zweier Frauen, die trotz aller vorherrschenden Widerstände um ihre Liebe kämpfen. Wie sah die Recherche im Vorfeld zu diesem Roman aus?

Conny: Zunächst konnte ich reichlich aus meiner Erinnerung schöpfen, da ich ja als Kind ziemlich viele Heimatgeschichten konsumiert hatte. Der Aufbau und der typische Plot eines solchen Werks waren mir von daher noch recht vertraut. Zur Recherche habe ich mir dann aber trotzdem wieder einiges angesehen bzw. angelesen. Schließlich wollte ich einen Heimatroman schreiben, der sich am Stil dieses Genres anlehnt. Die Bergregion ist mir durch Urlaubsreisen und Freunde von dort nicht unbekannt, wie auch die generellen Gesetzmäßigkeiten eines Dorfes, da ich selbst in der Provinz aufgewachsen bin. Über die Gegebenheiten der 1960er haben mich meine älteren Verwandten, Bekannte und Freunde in vielen Gesprächen aufgeklärt. In dem Zusammenhang möchte ich mich bei ihnen allen dafür ganz herzlich bedanken. Und natürlich hat mir das gute Internet bei der Recherche für das Almfeuer auch sehr stark geholfen.

„Das Leuchten des Almfeuers“ ist ein lesbischer Heimatroman. Du hast nichts ausgelassen: Da gibt es einen Xaver Brandl, einen Ignatz Boxleitner, die Stöckl-Bauern und die großen Herrn der Gemeinde: der Bürgermeister, der Pfarrer, der Lehrer und der Tierarzt. Und natürlich darf die Dorftratsche Christel nicht fehlen. Wie hat deine Umgebung auf deinen Roman reagiert?

Conny: Durchweg positiv, wenn auch nicht wenige überrascht waren, dass ich ausgerechnet einen Heimatroman verfasst hatte. Sie hätten wohl eher erwartet, dass ich ein Buch schreibe, in dem es um Menschen geht, die sich in der Gegenwart um die Rechte von Queers und andere Minderheiten engagieren. Aber das kann ja noch kommen. Besonders gut angekommen sind übrigens bei meinen Leuten drei Figuren: Ignatz, weil er so ein bärbeißiger Bösewicht ist. Tobias, weil er so ein junges, fesches Mannsbild ist. Und Fräulein Mayr, wegen ihrer unkonventionellen, weisen Erscheinung.

Liest du selbst gern Heimatromane?

Conny: Als Kind und Frühpubertierende habe ich wie schon erzählt so einige Heimatromane und vor allem viele Heimatfilme verschlungen, was wohl auch daran lag, dass es damals Ende der 1970er und in den 1980er Jahren noch nicht so viel anderes für uns damaligen Kleinen gab. Mit der Zeit schlich sich das jedoch bei mir aus und mein Literatur- und Filmgeschmack hat sich längst dergestalt verändert, dass ich mittlerweile aus diesem Spektrum nur noch Heidi, das berühmte Schweizer Mädel, mag.

Dein Roman spielt in den 60er Jahren – die Zeit der sexuellen Revolution. Feminismus wurde vermehrt politisiert. Frauenbewegungen folgten. Warum hast du dir gerade diese Zeit ausgesucht?

Conny: Die Zeit, in der „Das Leuchten des Almfeuers“ spielt, würde ich als den Vorabend der sogenannten 68-er-Bewegung bezeichnen; eine Bewegung, die nicht nur für die sexuelle Revolution und den Feminismus einen enormen Schub bedeutete, sondern unter anderem auch für die Rechte und Sichtbarkeit von Homo- und Bisexuellen und natürlich ebenso für die Emanzipation von tradiertem Denken wie Nationalismus und Klerikalismus. Gewisse Vorboten gab es zwar zu jener Zeit bereits, wie in kultureller Hinsicht die Nouvelle Vague oder der Rock n‘ Roll, doch das war jenseits der Metropolen noch kaum spürbar. Dies galt besonders für die ländlichen Regionen wie die Alpen. Somit war diese Zeitperiode zum einen die letztmögliche, in der jemand wie die Figur Sophie noch naiv und wohlbehütet, so vollkommen unwissend von der Errungenschaften der Emanzipationsbewegung aufwachsen konnte. Zum anderen die Epoche, in der für brave, fromme junge Menschen wie Sophie die aufkommenden gesellschaftlichen Veränderungen auch einen großen, umwälzenden individuellen Einfluss auf ihr persönliches Leben hatten. Und genau dieser – wie ich finde sehr spannende – historische Kontext brachte mich dazu, mich für jene Zeit zu entscheiden.

Das Leuchten des Almfeuers

Gerade im Moment stehen lesbische Frauen aufgrund des Kampfes für ihre Rechte vermehrt in den Medien. Es scheint ein erneuter sexueller Umbruch stattzufinden, der sich zu ihren Gunsten entwickelt. Denkst du, dass es mögliche Ähnlichkeiten zu den Frauenbewegungen in den 60er Jahren gibt?

Conny: Die hauptsächliche Ähnlichkeit sehe ich darin, dass sowohl damals als auch heute die stärksten Impulse dabei von den Studierenden kommen. Was dabei positiv ist, ist, dass ebenso Frauen aus den gewerkschaftlichen und parteipolitischen Bezügen dabei sind und Unterstützung von kommunaler, staatlicher und universitärer Stelle kommt. Ich beobachte in dem Zusammenhang aber auch gewichtige Unterschiede. Die Zeiten der großen Demos sind vorbei, es werden nun Flash-Mobs oder Aktionen im Internet gestartet und gemeinsame autonome Gruppen gibt es eher weniger. Vielmehr läuft der Kampf nun auf Projektebene. Auch werden im Rahmen der Queer Theory bzw. Queer Studies die Männer und Trans-Personen heute mit ins Boot genommen. Und natürlich machen einzelne Frauen ihre Aktionen. Was ich alles auch für angemessen und wichtig erachte. Andere Zeiten erfordern andere Mittel. Ich würde mir nur erhoffen, wenn zudem mehr Migrantinnen und Lesben außerhalb des Hochschulbereichs angesprochen und mitmachen würden. Dann wird das noch eine richtig runde Sache.

Du gehörst zu den „Cinédames“ – einer Gruppe von Frauen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, besonders Lesben im Medium Film unter die Lupe zu nehmen. Eine sehr interessante Tätigkeit. Kannst du uns vielleicht etwas mehr darüber berichten?

Conny: Uns, die „Cinédames“, gibt es seit 2005, und seitdem zeigen wir alle zwei Monate in Kooperation mit dem Saarbrücker kommunalen „Kino Achteinhalb“ Filme, in denen Lesben gewichtige Rollen spielen. Die Auswahl der Filme übernehmen wir, genauso wie die Erstellung der Werbeflyer und an den Abenden selbst die einführenden Reden und die anschließenden Diskussionen. Unterstützt werden wir dabei vom Frauenbüro der Landeshauptstadt Saarbrücken. Unser erklärtes Ziel ist es mit den „Cinédames“ die Sichtbarkeit von Frauen/Lesben zu verstärken und ebenso ein abwechslungsreiches kulturelles Programm anzubieten. Mittlerweile haben wir an die vierzig Filme gezeigt, darunter beispielsweise Mädchen in Uniform von 1931, asiatische Filme, aber auch Komödien und klassische Romanzen. Und schon jetzt freuen wir uns sehr auf unser zehnjähriges Jubiläum, das 2015 mit einem großen Fest gefeiert wird.

Dein Roman „Das Leuchten des Almfeuers“ spielt in einem kleinen Alpendorf in Österreich. Immer wieder hört man, dass ländliche Gegenden nach wie vor sehr unaufgeschlossen gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren sind. Woran glaubst du liegt das? Oder gibt es keinen Unterschied mehr zu den Städten? Glaubst du, dass die katholische Kirche einen vermehrten Einfluss auf ländliche Gegenden hat? Fürchten Landbewohner nach wie vor das Gerede und die Angst vor „Was-werden-bloß-die-Nachbarn-sagen“?

Conny: Die verstärkte rechtliche Gleichbehandlung und vor allem das Internet und die positive Veränderung in vielen Köpfen haben zwar viele Unterschiede zwischen Stadt und Land abgemildert, doch trotzdem bin ich nach wie vor der Ansicht, dass unterm Strich das Klima in den urbanen Zentren für Queers weiterhin ein freieres und liberaleres ist. Dort besteht auch eher die Möglichkeit, sich zu treffen, es gibt kulturelle Angebote und auch die Möglichkeiten, sich gemeinsam zu engagieren. Dies ist hingegen auf dem Land nur vereinzelt der Fall. Ein weiterer Grund hierfür ist mit Sicherheit die starke religiöse Bindung, die jenseits der Metropolen immer noch tendenziell eine mächtigere ist. Ich habe jedoch den Eindruck, dass die institutionelle Religion eher auf dem Rückzug als auf dem Vormarsch ist, was auch einen positiven Nebeneffekt unter anderem hinsichtlich der Akzeptanz von Nichtheterosexuellen hat. Was daneben immer noch ein großes Problem darstellt, ist die Vereinzelung von Queers auf dem Land und der dort geballt vorkommende Konservatismus, der besonders für die betroffenen Teenager und die sich im Coming-Out befindlichen Menschen eine immense Belastung für ihr Leben darstellt. Die Angst vor Klatsch und Tratsch ist dabei nur ein Aspekt, Mobbing und Ausgrenzung ein weiterer. Hier bleibt noch viel zu tun, Schulprojekte, positive Thematisierung in den Medien, Rollenvorbilder etc. können da viel zum Besseren bewirken. Und wo es sie gibt, sind Erfolge auch ersichtlich.

„Das Leuchten des Almfeuers“ ist dein erster Roman. Wolltest du schon immer Schriftstellerin werden?

Conny: Geschichten zu erzählen, war stets eines meiner Steckenpferde, jedoch träumte ich zunächst, mich als Regisseurin oder als Journalistin zu versuchen. Kulturell wurde ich dann tatsächlich aktiv, hingegen eher in der Hinsicht, dass ich im queeren, feministischen Bereich Veranstaltungen mit organisiert habe. Erst nach der Jahrtausendwende kam ich auf den Gedanken, selbst als Autorin schöpferisch tätig zu werden und bin seitdem mit Feuereifer dabei. Mittlerweile ist das Schreiben sogar für mich ein derartiges Grundbedürfnis, das ich als Berufung ansehe und es bedauere, nicht früher damit angefangen zu haben.

Welche schriftstellerischen Pläne hast du für die Zukunft? Bleibst du deinem bisherigen Genre treu oder wagst du dich an ein anderes heran? Wenn ja, welches?

Conny: Derzeit fahre ich mehrgleisig. Ich schreibe zum einen an einem Krimi, bei dem nur noch die letzten Kapitel fehlen und der auf jeden Fall noch 2014 fertig wird. Zum anderen überarbeite ich einen etwas älteren Roman, der in Richtung Melodram mit Tabubruch geht. Und da gibt’s noch eine wahrscheinlich kleinere Science-Fiction-Story, die ich momentan skizziere und die ich ausarbeiten werde, sobald der Krimi abgeschlossen ist. Das Genre des Heimatromans mitsamt Berge und Alpendörfer habe ich also verlassen und kümmere mich stattdessen nun um die Lesben in der Großstadt und in der fernen Zukunft.

Viele Autoren, die homosexuelle Literatur schreiben, schreiben unter einem Pseudonym. Warum glaubst du, ist das so? Hat man als Schriftsteller in diesem Bereich Nachteile?

Conny: Die allermeisten Autorinnen und Autoren, die homosexuelle Literatur schreiben, sind ja beruflich und hobbymäßig noch in anderen Bereichen tätig. Aufgrund dieser Tatsache vermute ich mal, dass diejenigen, die sich für ein Pseudonym entscheiden, sonst befürchten müssen, in ihren sonstigen Betätigungsfeldern einen Stempel als „Schwulen- oder Lesben-Schreiberling“ verpasst zu bekommen und dadurch noch weitere Nachteile zu erleiden. Diese Befürchtung kann ich fallweise auch sehr gut nachvollziehen, wie beispielsweise bei der Erzieherin, die in einem katholischen Kindergarten arbeitet, oder dem Autor, der ansonsten blutige Zombie-Storys schreibt. Manche haben darüber hinaus vielleicht zudem den Wunsch, ihr schriftstellerisches Wirken von ihrem restlichen Leben getrennt zu halten, weil sie die etwaige Aufmerksamkeit um ihre Person nicht haben wollen. So oder so, eine Entscheidung pro oder contra Pseudonym hat stets seine guten Gründe von Seiten des betreffenden Menschen und ist daher auch von jedem absolut zu respektieren.

Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview und wünschen dir weiterhin viel Glück und Erfolg!

„Das Leuchten des Almfeuers“ ist seit Dezember im Buchhandel und in den meisten Online-Shops erhältlich.