Interview mit Cassidy Starr zu ihrem aktuellen Buch „Trans-parent“

erstellt von: HOMO Littera | Kategorie(n): Interviews

„Cassidy Starr“ hat uns zu ihrem aktuellen Buch „Trans-parent“  ein Interview gegeben

Trans-parent

Hallo Cassidy. Vor Kurzem erschien dein Roman „Trans-parent“. Würdest du unseren Lesern kurz erzählen, worum es in deinem Buch geht?

Cassidy: Gerne! Wenn ich darf, möchte ich aber zuerst meinem Hauptcharakter das Wort überlassen:
„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Samantha und dieser steht seit zwei Jahren auch in meinem Pass. Ich bin, was man allgemeinhin eine Transfrau nennt. Trotz OPs und dem passenden Styling habe ich mich lange unwohl in meinem Körper gefühlt. Bis er in mein Leben trat: Maximilian – die Liebe meines Lebens! Als er mir sagte, dass er einen zwölfjährigen Sohn hat, habe ich mir kurz Sorgen gemacht … aber sie schnell wieder verdrängt. Nun ja, zumindest bis jetzt! Denn dieses Wochenende wird es ernst: Ich werde meinen Stiefsohn in spe kennenlernen … Ob das gut gehen wird?“

Und genau darum geht es: wie Samantha und Johannes, ihr rotzfrecher und etwas verzogener Stiefsohn, einander verstehen und lieben lernen. Es ist eine süße, aber turbulente Geschichte, die einem ein gutes Gefühl beim Lesen verschafft.

Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Roman im transsexuellen Bereich zu schreiben?

Cassidy: Das Thema ist für mich nicht neu. Schon während meiner Schulzeit habe ich die erste Geschichte darüber geschrieben und über die Jahre sind noch einige dazugekommen. Mein erster abgeschlossener Roman in diesem Bereich war ein lang gehegtes Herzensprojekt, mit dem ich bei den angeschriebenen Verlagen aber so richtig abschmierte. Ich habe mich dann erst vor drei Jahren wieder an die Thematik herangewagt – und einer der dabei entstandenen Texte war Trans-parent.

Wie sahen die Recherchearbeiten zu „Trans-parent“ aus?

Cassidy: Ich habe mich da ans echte Leben gehalten, anstatt mich in Sachbücher einzulesen. Das merkt man dem Buch hoffentlich auch an! Meine Fortschritte waren deswegen ungewöhnlich schnell und haben mich selbst verwundert. Aber dann habe ich schon bei meinem ersten Treffen mit einer Transfrau festgestellt, dass es da keine fundamentalen Unterschiede in unseren Denkweisen gibt. Wieso auch? Eine Transfrau ist eine Frau. Ich konnte da aus den Vollen meiner eigenen Weiblichkeit schöpfen – und im Endeffekt ist Samantha sogar viel femininer als ich!

„Trans-parent“ ist zwar dein erstes Werk im transsexuellen Bereich, aber du schreibst auch in anderen Genres. Gab es im Vergleich zu deinen anderen Werken im Schreibprozess Unterschiede? Hast du es schwieriger oder einfacher empfunden, in diesem Bereich zu arbeiten?

Cassidy: Na ja, wie gesagt, ein „wenig“ Übung hatte ich ja schon. Es kam mir aber tatsächlich viel einfacher vor als so manch anderer Text. Ich weiß nicht, woran es lag. Da war einfach von der ersten Zeile an dieses Gefühl, dass ich genau den richtigen Ton getroffen habe. Manchmal kommt es während des Schreibens zu Momenten des Zweifelns oder der Unzufriedenheit. Das hatte ich bei Trans-parent kein einziges Mal. Ich habe mich jeden Tag darauf gefreut, weiterzuschreiben. Deswegen ist das Buch auch länger geworden, als ich es geplant hatte. Ursprünglich sollte es ein Teil der HOMO Littera-Heftreihen werden. Mir war aber schnell klar, dass Samantha ihre Eigenständigkeit verdient hat – unter anderem auch, weil es nur so wenige Romane über Transfrauen gibt.

Belletristische Literatur im transsexuellen Bereich ist nach wie vor ein Randgebiet. Warum war es dir dennoch wichtig, einen Roman mit dieser Thematik zu schreiben?

Cassidy: Ich wollte es einfach. Wenn mir eine Idee gefällt, dann muss sie raus aus mir und rauf aufs Papier. Bei mir kommt ein Text immer aus dem Herzen – im übertragenen Sinn natürlich. Aber das ist nur für mich persönlich wichtig! Wesentlicher ist das Thema Akzeptanz. In den englischen Medien hört man immer wieder das Wort „representation“ und dieses hat große Bedeutung. Angst hat man vor vielen Dingen nur deswegen, weil man sie nicht kennt. Literatur, Film und Fernsehen können da eine Menge tun. Und das sollten sie auch. Wir leben im 21. Jahrhundert, aber viele Ansichten von heute sind immer noch antiquiert.

Transsexuell bedeutet, dass jemand im falschen Körper geboren wurde und sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt. Obwohl es in den letzten Jahren zu Aufarbeitungsarbeit dieser Thematik kam, gibt es nach wie vor viel Unverständnis und Intoleranz in der Gesellschaft. Warum denkst du, ist das so? Was kann man gegen die vielen Vorurteile tun?

Cassidy: Vorurteile kommen meist zustande, weil man selbst keine Erfahrungswerte hat und einfach übernimmt, was jemand anders behauptet hat. Wenn sich dann mehrere Menschen treffen, die dieselben Vorurteile – oder Ängste – teilen, verstärken sich diese noch. Man muss ja nur online gehen und sich die Kommentare in manchen Gruppen ansehen. Da sind die Meinungen zum Teil so eingefahren, dass die eloquenteste Argumentationslinie im Sande verläuft. Die Anonymität des Internets sehe ich da aber auch als Chance. Wenn zum Beispiel ein Mädchen mit Vorurteilen nach Wochen des fröhlichen Chattens erfährt, dass seine neue Freundin eine Transfrau ist, dann muss es sich eingestehen, dass seine Ansichten nichts weiter als Vorurteile waren. Darauf zähle ich! Wenn Vorurteile aber wirklich aus Unwissenheit geboren werden, müssen wir die Medien nutzen, um Wissen und Nähe zu schaffen. Nie sind Serien etc. so gefeiert worden wie in diesen Zeiten der Online-Fandoms. Dabei wäre aber wichtig, die Queerness nicht zum Hauptthema zu machen. Sonst würden ja wieder nur die Menschen zusehen oder die Bücher lesen, die dem Thema gegenüber ohnehin schon aufgeschlossen sind oder der entsprechenden Community angehören. Wir müssen aber die Massen abholen! Es gibt so viele unfassbar erfolgreiche Marken da draußen. Ich kann und will nicht glauben, dass ein Star Wars-Fan das Fandom verlassen würde, das er seit Jahrzehnten liebt, nur weil einer der Hauptcharaktere sich als Trans herausstellen würde. Und die Kinder, die neu dazustoßen, würden es ohnehin als gegeben hinnehmen – eben als ganz normal.

In „Trans-parent“ sprichst du auch das Problem an, dass Kinder von transsexuellen Eltern oftmals in der Schule und/oder Freundeskreis gemobbt werden. Denkst du, dass es an den Schulen Aufklärung diesbezüglich geben sollte und es etwas an der Problematik ändern würde? Was kann man deiner Meinung nach dagegen tun?

Cassidy: Mehrere meiner Freundinnen unterrichten oder haben unterrichtet und deswegen wage ich zu behaupten, dass Aufklärung an Schulen immer schwierig ist. Der Erfolg hängt dabei oft vom betreffenden Lehrkörper oder der Präsentation selbst ab. Ich kann mir vorstellen, dass es ab einer gewissen Schulstufe auch ein zweischneidiges Schwert sein kann. Die dafür offenen Kinder würden die Informationen zwar mit Interesse aufnehmen, aber die Bullys und Rabauken würden vielleicht gerade dadurch aufgestachelt. Es wäre also wichtig, zuerst das richtige Alter der SchülerInnen zu bestimmen und dann ein passendes Konzept zu erarbeiten. Was man außerhalb der Schule tun kann, ist hingegen einfach. Ich habe ja schon von der „representation“ in den Medien gesprochen. Genau da kann man auch bei Kindern und Jugendlichen ansetzen. Was „cool“ ist, wird von den meisten gemocht oder sogar geliebt. Als ich ein Kind war, fand ich den „Fresh Prince of Bel Air“ genial. Die Bill Cosby-Show lief auch in endlosen Wiederholungen. Die Charaktere hatten eine andere Hautfarbe, aber auf das hat man gar nicht geachtet. Man mochte die Leutchen eben oder wollte vielleicht sogar so sein wie sie. In den 80ern gab es im TV auch viele starke Frauen, wie etwa „She-Ra“, die Prinzessin der Macht, die eine Gruppe Rebellen gegen ein ungerechtes System anführte. Wächst man mit derartigen Figuren auf, verbindet man positive Gefühle mit ihnen und auch dem, für das sie einstehen. Dann bleibt gar kein Raum für Ängste.

Kannst du über deine zukünftigen Projekte schon etwas sagen? Auf was dürfen deine Leser gespannt sein?

Cassidy: Besonders freue ich mich auf die Veröffentlichung meiner verliebten Mädchen! Das Buch handelt von zwei jungen Frauen, die einfach vom Schicksal füreinander auserkoren waren und – Achtung! Spoiler Alarm! – nach langem Hin und Her endlich zueinander finden. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an und in dieser Geschichte habe ich mit diesem Konzept so richtig gespielt. Ich hoffe, dass es den LeserInnen auch so gefallen wird wie mir selbst!

Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview und wünschen dir weiterhin viel Erfolg!

Cassidy: Ich bin es, die sich bedankt! Für das Interview und vor allem die Veröffentlichung von Trans-parent!

Cassidy Starr ist eine niederösterreichische Autorin mit einem zweiten Lebensschwerpunkt in Wien. Durch den daraus resultierenden Spagat verbringt sie Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln, die sie kreativ nutzt: Im Geiste spielt sie während dieser Zeit Dialoge und ganze Szenen aus ihren Manuskripten durch. Sie selbst bezeichnet sich als „schreibbesessen“. Sie bekommt ihren Kopf erst wieder frei, wenn sie die Gedanken zu ihren Geschichten auf Papier gebracht hat. Die Autorin wurde von Star Trek TOS, diversen Fantasy-Autoren und Victoria Holts Romantik-Thrillern beeinflusst, die sie als Kind in der Bibliothek ihrer Mutter verschlang. Auch heute kann sie Bücher nicht zur Seite legen, selbst wenn am nächsten Morgen der Wecker früh klingelt. Cassidy Starrs Texte sind oft erotisch, manchmal weniger romantisch, geizen jedoch nie mit dem von ihr heiß geliebten Drama.

„Trans-parent“ ist seit Dezember 2019 im Buchhandel und online erhältlich.